Mo. 22.05.2017
Nachdem der Limfjord uns gestern mit schönstem Segelwetter in Empfang genommen hat – 5 bis 6 Bft, Sonne pur und die Hotze nur so mit 8,5 Kn auf Am-Wind-Kurs durch die Fahrwasser Richtung Lemvig rauschte – will er uns heute das nächste Highlight bescheren.
Wir wollen weiter zum Oddesund und dort durch eine der wenigen Brücken im Fjord. Ein nettes Ehepaar im Hafen hat uns den Tipp gegeben, uns vorab telefonisch anzumelden, da aufgrund von Bauarbeiten die Brücke unregelmäßig öffnet und letztlich jemand acht Stunden davor seine Kreise gezogen und gewartet hat. Die Absprache per Telefon funktioniert problemlos – wer mein Englisch kennt, weiß, dass ich nicht so recht weiß, was ich da so von mir gebe, aber ich plappere einfach drauf los und die Gegenseite scheint mich zu verstehen – na geht doch!
Mit Raumschotwinden um 2 bis 3 Bft geht es Richtung Oddesund, das lädt doch förmlich ein kurz den Gennaker zu setzen und im Fjord mal etwas Farbe zu zeigen. Gesagt getan, na ja, gesagt und nahezu getan. Die Idee war gut, die Ausführung gestaltet sich dann doch etwas problematisch. Der Gennaker ist nach dem Winterlager und dem ständigen hin- und hertransportieren irgendwie verdreht und verdrisselt. Die Leinen sind nicht mehr da, wo sie so hingehören. Wenn der Bergeschlauch nicht sauber vorbereitet ist, bekommt man das Ding einfach nicht hoch.
Also werden alle Leinen sorgfältig vorbereitet und kontrolliert und dann hoch das Ding – Mist, immer noch verdreht – noch mal runter. Ah jetzt aber, und hoch – ne, doch nicht – immer noch verdreht – wieder runter. Ach ja, noch einmal die Leine darum und dann aber – ne, auch nicht! Nach gefühlten tausend Versuchen bin ich entkräftet und entnervt, ich breche ab, kann es aber doch nicht so auf mir sitzen lassen.
Die kurze Pause bringt noch eine letzte Idee hervor und was soll ich sagen, es funktioniert. Kaum macht man alles richtig, schon ist er oben…
Die Freude in mir währt aber nur kurz, ich sehe schon, er ist zwar oben, aber im Schlauch ist auch alles verdreht und verknotet und so hat sich am Top die innere Leine um den Gennaker gewickelt. Mein erster Gedanke: Den kriege ich doch nie wieder runter. Aber egal, jetzt genießen wir erst einmal die Fahrt durch den Fjord, kommt Zeit, kommt Rat…
Ich nutze die Zeit natürlich schon, um ein paar Varianten im Kopf durchzuspielen, zumal wir ja auf einen Sund mit einer Brücke zuhalten – Sackgasse – und der Wind drückt von hinten! Also starte ich frühzeitig mit dem ersten Versuch das Tuch zu bergen. Ich bin ja schon in Kroatien Gennaker ohne Bergeschlauch gefahren, habe da die Genua einfach vor den Gennaker gezogen, dann das Fall langsam herunter gelassen und das Tuch einfach unter der Genua eingeholt. Das hat super funktioniert – also alles kein Problem. Raus mit der Genua, ach ja, ich habe ja nur eine Fock und die ist im vergangenen Jahr aufgrund des UV-Schadens auch noch verkleinert worden. Sie sieht aus wie ein Taschentuch vor dem Gennaker und hat auch mal so überhaupt keine Wirkung auf das 110 qm große Tuch. Na immerhin nimmt jetzt auch der Wind noch etwas zu, wahrscheinlich schon die Auswirkung durch den enger werdenden Sund, wäre ja sonst auch langweilig geworden.
Also der Plan bleibt dergleiche, wie soll man auch sonst das Tuch reinholen. Danni geht an das Fall und ich sammel das Tuch unten ein…
Ich hänge am Ende eines 110 qm Tuchs und kämpfe mit den Naturgewalten. „DANNI FIEREN, FIIIIIIIEEEEREN!“
Danni fiert, aber lieber mit Bedacht, wer weiß was alles passieren kann, wenn das Tuch zu schnell runter fällt. Es könnte nass werden…
„FIIIIIEEEEEEREN, FIIIIIIIIIEEEEEREN!“ – Langsam schwinden meine Kräfte, das Tuch gleitet mir immer wieder durch Böen stückchenweise aus den Händen und so verliere ich wichtige Meter um das Tuch endlich entscheidend zu verkleinern und den Rest in Ruhe bergen zu können.
Danni: „Die Schot ist im Wasser, nicht dass sie in die Schraube kommt!“
„Ist nicht schlimm, der Motor ist nicht an!“
Danni: „Das Tuch wird nass!“
Mir ist inzwischen alles egal, „LASS EINFACH RUNTER!“, ich will nur noch den Druck aus dem Tuch haben. Der Rest fällt also kurz ins Wasser und ich ziehe die letzten Quadratmeter nass an Deck – GESCHAFFT! Ich auch!
Die Freude währt aber nur kurz, zurück in der Plicht muss ich erkennen, dass die Einschätzung, „mit der Schot kann ja nichts passieren“, falsch war. Ich halte zwei Enden der Schot in der Hand und diese verdrehen sich in rasender Geschwindigkeit – warum, der Motor ist doch aus? Während ich noch darüber nachdenke, verheddert sich die Leine in ein Gummistraps, welches am Heckkorb befestigt ist, und zerlegt dies förmlich in seine Einzelteile. Mist, der Rückwärtsgang ist nicht eingelegt und so dreht die Schraube durch die Fahrt fleißig mit. Schnell den Gang rein und der Spuk hört erst einmal auf, aber die Leine hat sich festgesetzt und ich kriege sie nicht mehr raus.
Bestandsaufnahme:
- Wir segeln auf die Oddesund Brücke zu – Sackgasse!
- Die Maschine ist nicht einsatzbereit – blöd!
- Das Ruder? Ist frei und kann normal benutzt werden – puh, Glück gehabt!
Ein neuer Plan muss her, die Brücke nehmen wir heute nicht mehr – das ist klar. Also setze ich erst einmal das Großsegel, damit wir besser kreuzen und uns aus dem Sund herausarbeiten können. Dann studiere ich den Revierführer etwas genauer, suche nach geeigneten Ankerplätzen und werde fündig. Lemvig ist perfekt für das anstehende Ankermanöver unter Segeln und die bevorstehende Nacht. Die andere Option unter Segeln in den Hafen zu fahren fällt aufgrund der Windrichtung leider aus.
Also zurück nach Lemvig – warum nicht, war ja schön da. Bei schönstem Segelwetter kreuzen wir also wieder zurück. Bei der Einfahrt in die Bucht warten aber die nächsten Herausforderungen auf uns. Zum einen dreht der Wind etwas, wodurch wir nun auch in der immer enger werdende Bucht kreuzen müssen, zum anderen schläft der Wind nach Sonnenuntergang fast ein. Aber er reicht noch gerade aus, um mit knapp zwei Knoten einzulaufen. Das ganze wird so zu einem Geduldsspiel und die Nacht rückt immer näher. Dann ist es endlich so weit, wir sind kurz vor dem Ankerplatz – da will uns das Wetter noch das Sahnehäubchen auf den ganzen Tag setzen. Eine Nebelbank kriecht langsam über uns hinweg und wir sehen wirklich nichts mehr.
Nach dem der Anker liegt, die Segel geborgen sind, fallen wir nur noch platt ins Bett. An der Lösung des Problems muss morgen weiter gearbeitet werden. Vor Anker liegen ohne einsatzbereite Maschine ist nicht optimal. Sollte heute Nacht die Hölle losbrechen und der Anker nicht halten, wäre sie natürlich die entscheidende Hilfe. Mit dem Blick auf den Wetterbericht für die Nacht legen wir uns aber entspannt ins Bett – das Wetter hat ein Einsehen mit uns.
Was für ein Tag!
Di 23.05.2017
Ich habe die Hoffnung, dass ich mit der Hotze Junior besser an die verwickelte Leine heran komme und bei Tageslicht die Situation besser einschätzen kann. Und so ist es auch, die Leine lässt sich nach einigen Endwindungen einfach aus der Schraube entfernen, sie ist noch nicht einmal beschädigt. Ich starte zu guter Letzt noch die Maschine und teste vorsichtig die Gänge, bevor wir den Anker wieder hochholen und unsere Fahrt fortsetzen.
Oddesund Brücke die Zweite, wir kommen!